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Die tägliche Übungspraxis

Ich weiß, für die meisten ist es ein leidiges Thema! Taiji und QiGong (NeidanGong) setzen ein regelmäßiges Üben voraus, das in der Praxis über die Übungsdauer des wöchentlichen Unterrichts von z. B. eineinhalb Stunden hinausgeht. Meist gebe ich ganz unverbindlich und mit viel Relativierung ab und zu den Hinweis, dass eine regelmäßige Übungspraxis etwas sehr Förderliches sein könnte. Relativiert deshalb, weil die meisten Kursteilnehmer mit den Ohren schlackern, wenn sie das hören. Begriffe wie Anforderung, Verpflichtung, Disziplin, Hausaufgaben und schlechtes Gewissen oder vielleicht Erinnerungen an die Schulzeit tauchen auf. Im schlimmsten Fall führen derartige ambivalente Gefühle dazu, dass sie nicht mehr zum Training kommen.


Es wäre jedoch falsch, so zu tun, als wäre eine regelmäßige Übungspraxis nicht notwendig, um echte Erfolge zu erzielen. Schließlich ist es in jeder anderen Disziplin nicht anders.


Ziele

Natürlich kommt es auf unsere Zielsetzung an.


Was möchte ich vom Üben ?

Eine wichtige Frage, die sich jeder in regelmäßigen Abständen stellen sollte.


Kommst du zum wöchentlichen Training, um für eineinhalb Stunden die Welt zu vergessen, dann bist du in meinem Unterricht herzlich willkommen. Doch hast du Wünsche und Erwartungen, die über eine nette Bewegungsstunde hinausgehen, musst du dir eingestehen, dass du etwas investieren musst. Fitter zu werden, mehr Balance im Leben zu finden oder sogar einen wirklichen Weg der Kultivierung im Taiji/NeidanGong einzuschlagen, ist dir wahrscheinlich selbst klar: Das ist nicht mit eineinhalb Stunden wöchentlich getan – wobei das natürlich ein großartiger Start ist.


Viele meiner Schüler nehmen einiges auf sich, um zum Training zu kommen: Geld, das sie investieren, die Zeit der eigentlichen Trainingsdauer und für manche ein sehr langer Anfahrtsweg. Umso wichtiger ist es, die bereits investierte Energie nicht einfach verpuffen zu lassen. Nichts ist deprimierender, als jede Woche von Neuem zu beginnen – und genau das kann dein erster Motivator sein, auch zu Hause etwas zu tun.


Du bekommst mehr vom Unterricht, wenn du für dich übst. Fragen, die beim Üben zu Hause auftauchen, kannst du im Unterricht stellen, und du wirst vertieften Input besser aufnehmen können, weil du dich nicht mehr mit dem bloßen Auswendiglernen von Bewegungsabläufen beschäftigst. Stattdessen bist du bereit, feiner in die Übungsabläufe einzutauchen.


Auch können sich deine Ziele im Üben verändern. Es ist wie bei einem wöchentlichen Termin beim Physiotherapeuten: Machst du die Übungen, die er dir für deine Rückenschmerzen empfiehlt, nicht zu Hause, wird sich nichts verändern. Und wenn du deine Zähne nicht zu Hause putzt, kann auch der Zahnarzt keine Wunder bewirken.


Das Yin pflegen/Es muss nicht viel sein, was du für dich tust

Der innere Schweinehund – ein niedlicher Ausdruck für die Sau! Doch lasst uns mit etwas Sanftmut auf unser Yin schauen. (Hier könnte ein passendes, niedliches Foto stehen.) Wie bereits in vorherigen Blogeinträgen beschrieben, hat auch unsere „faule“ Seite ihren Ursprung und ihre Berechtigung. Evolutionär schützt uns unser kleiner Schweinehund davor, zu viel Energie zu verschwenden. Für ohnehin sehr aktive Menschen kann es sogar eine Übung sein, diese Seite zu pflegen und zu hegen.


Kämpfen wir jedoch zu sehr gegen unseren Schweinehund, kostet uns das am Ende nur Energie. Bevor wir uns also zwingen aufzustehen und unsere Yin-Bedürfnisse vollkommen ignorieren, kann es guttun, ihnen volle Aufmerksamkeit zu schenken – ohne schlechtes Gewissen und ohne mit dem Kopf schon wieder bei dem zu sein, was wir eigentlich tun „müssen“.


Aus Yin entsteht Yang. Genüsslich ausgeschlafen, wenn möglich, eine Tasse Tee oder Kaffee getrunken, gut gefrühstückt – so können wir aus der Ruhe die Kraft schöpfen, um in die Aktivität zu finden. Wenn wir es schaffen, dies in unseren Alltag zu integrieren, ist schon viel gewonnen.


Habe ich dich erwischt, wie du versuchst, aktiv zu entspannen, um endlich aktiv zu starten? Es ist wirklich keine einfache Aufgabe, wirklich loszulassen. Halbherzige Entspannung lässt uns am Ende nur halb ausgeruht zurück, und wir sehnen uns im Yang schnell wieder nach Yin. Umgekehrt ist es genau so: Wer den ganzen Tag wirklich nichts tut, kann oft nicht tief schlafen und hat keinen Reiz, aus dem wir bewusst wieder in die Ruhe finden können.


Routine

Bevor etwas leicht wird, ist es schwer. Laut der Studie von Philippa Lally (2009) dauert es im Durchschnitt 66 Tage, bis sich eine neue Gewohnheit etabliert. Einfachere Routinen brauchen oft nur 18 Tage, während komplexere bis zu 254 Tage benötigen können. So auch regelmäßiges Training. Es braucht nicht nur Energie für das Training selbst, sondern auch für die Überwindung, anzufangen. Diese Überwindung wird mit der Zeit jedoch geringer – Routine schafft Erleichterung. So kommen wir zum nächsten Punkt zum Thema Regelmäßiges Training.


Fang langsam und klein an

Schnell begonnen ist auch wieder schnell beendet – das zeigt die Erfahrung! Bereits in meiner kurzen Lehrzeit durfte ich einige neue Schüler mit viel Motivation begrüßen und sie wenig später wieder verabschieden. Oben habe ich bereits beschrieben, wie vorsichtig ich bin, wenn es darum geht, zum eigenen Üben zu motivieren. Niemandem ist geholfen, wenn man frustriert von sich selbst, den Lehrern oder den Mitschülern wird.


Daher empfehle ich, wirklich, wirklich, wirklich langsam und klein zu beginnen. Mit der Zeit bekommt man dann ganz automatisch Lust zu üben. Wenn wir uns mit dem Verstand zwingen, täglich zwei Stunden zu üben (extra ein bisschen übertrieben als Beispiel), sind Erschöpfung und ein Ungleichgewicht im Leben vorprogrammiert.


Beginnen wir hingegen damit, morgens vor der Arbeit fünf oder zehn tiefe Atemzüge mit einer Übung aus dem TunaGong zu machen, starten wir fitter und ruhiger in den Tag. Außerdem wird das Gefühl, bereits geübt zu haben, nicht von Frust und Müdigkeit überschattet. Das Gefühl der eigenen positiven Suggestion sollte man nicht unterschätzen! (Ein kleines Thema für sich.)


Vielleicht haben wir dann ein wenig mehr Energie nach der Arbeit übrig, sodass wir wiederum besser in den Nachmittag starten und erholter ins Bett gehen können. Mit der Zeit steigert sich unser Energielevel Stück für Stück, ohne dass wir dafür viel tun müssen. So kommt der Stein ins Rollen.


Vielleicht inspiriert und motiviert dich dieser Text, jetzt rauszugehen und nur fünf Minuten etwas für dich zu tun!


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